Einführung in das „Berufsbild"

eines Medienpädagogen




Dem Beruf wird schon seit sehr vielen Jahren eine große Bedeutung für unsere Gesellschaft zuteil. Friedrich Nitzsche (1930) sagte dazu: Der Beruf ist das Rückgrat des Lebens und seine Wahl die wichtigste Entscheidung, die der Mensch treffen muss“ (zit. n. Hugger 2008, 564). Das Berufsbild selbst ist ein „Bündel von Qualifikationen“ (Hugger 2008, 564). So verfügt der Mensch über einen bestimmten Wissensbestand, bestimmte Verhaltensweisen und Aufgabenfelder, die diesem Berufsbild entsprechen. Es gibt explizite Ausbildungsprofile vor und dient als Grundlage für die eigene Berufswahl (vgl. ebd., 564f.). Doch in den letzten Jahren hebt sich diese Verbindung zwischen Ausbildung und Tätigkeit immer mehr auf und wird lockerer. Vor allem der Medienpädagogik kann bis heute kein festes Berufsbild zugeteilt werden. Sie stellt vielmehr eine „Querschnittsaufgabe“ (ebd., 565) dar, da durch die zunehmende Bedeutung von Medien in unserer Gesellschaft der Erwerb von Medienkompetenz in fast jedem Beruf in den Vordergrund rückt. Doch was bedeutet überhaupt Medienkompetenz?
Die Kompetenz ist ein „strukturerzeugendes Regelsystem, das in der Sprachverwendung (Performanz) wirksam wird. […] [Mit] dessen Hilfe [kann] eine potentiell unbegrenzte Anzahl von Sätzen (kreativ) erzeugt werden […]. Aufgrund seiner Kompetenz zu sprachlichem Handeln ist dann jeder Mensch dazu fähig, aktiv an der Weltkonstruktion teilzunehmen“ (vgl. Baacke 1972; 1996, zit. n. Hugger 2003, 42). „Medienkompetenz stellt nach Baacke (1996, S. 8) eine Spezialform dieser Kompetenz dar, weil sie in verstärkter Weise die Veränderungen den Kommunikationsstrukturen durch technisch-industrielle Vorkehrungen und Erweiterungen betont“ (Hugger 2001, 78). Baacke unterteilt sie außerdem in vier Dimensionen: Medienkritik, Medienkunde, Mediennutzung und Mediengestaltung.



Mithilfe der Medienkritik soll der Rezipient problematische gesellschaftliche Prozesse analytisch erfassen und die „Medienentwicklungen nicht kritiklos [hinnehmen]“ (http://dieterbaackepreis.de/index.php?id=67, 27.10.2015). Weiterhin sollte jeder Mensch dieses analytische Wissen reflexiv auf sich selbst und sein Handeln anwenden können. Mithilfe der ethischen Unterdimension wird erfasst, dass das analytische und reflexive Verhalten auch soziale Konsequenzen mit sich zieht.
Die Medienkunde beschreibt das „pure Wissen über heutige Medien und Mediensysteme“ (ebd.). Die informative Unterdimension befasst sich diesbezüglich mit den klassischen Wissensbeständen. Die instrumentell-qualifikatorische beschreibt dagegen die Fähigkeit, die neuen Geräte bedienen zu können.
Diese Bereiche, Medienkritik und Medienkunde, können zu der Dimension der Vermittlung zusammengefasst werden, die sich allgemein mit dem Wissenserwerb durch die Medien beschäftigt. „Die Dimension der Zielorientierung liegt im Handeln des Menschen“ (Hugger 2001, 78). Dazu gehört zuerst die Mediennutzung. Diese kann rezeptiv oder interaktiv erfolgen. Die letzte Dimension umfasst die Mediengestaltung. Damit sind sowohl innovative Veränderungen, als auch kreative ästhetische Varianten gemeint.
„Für den pädagogischen Kontext ist der Kompetenz-Begriff nun deshalb bedeutsam, weil er eine anthropologische Voraussetzung und gleichzeitig einen Zielwert für die Medienpädagogik formuliert. Die Voraussetzung besteht in der Annahme, dass alle Menschen kompetente Lebewesen sind. Der Zielwert besteht in der Förderung dieser Ausstattung“ (Hugger 2003, 42).
Damit wird deutlich, dass der Beruf des Medienpädagogen heute immer bedeutender für unsere Gesellschaft wird. Trotzdem hat seine Professionalisierung bisher nicht weiter zugenommen. „Als Profession gelten in der soziologischen Theorietradition Berufe, die besondere Leistungen für die Gesellschaft sowie für die einzelnen ‚Klienten‘ erbringen und dabei einer spezifischen Handlungslogik folgen, die sie von anderen Berufen deutlich unterscheiden“ (ebd., 43). Damit würde die Medienpädagogik nur eine halbe, eine Semi-Profession darstellen, da ihr bestimmte Merkmale nicht zugeordnet werden können, die den klassischen Professionen, den Ärzten, Juristen und Theologen, angehören. Dazu gehören zum Beispiel eine „wissenschaftliche Ausbildung, Lizensierung, berufsethische Selbstkontrolle, eigenständige Fachlichkeit usw.“ (Hugger 2004, 10). Doch heutzutage versucht man immer mehr von diesen „Attribute-Modellen“ (Hugger 2003, 44) abzukommen. Das Professionelle eines pädagogischen Berufes soll vielmehr daran gemessen werden, inwieweit eine „sozialwissenschaftliche Fallanalyse und konkretes pädagogischen Handeln in seiner beruflichen Praxis“ (Hugger 2004, 11) verbunden werden.
Hugger unterstützt diese Aussage und beschreibt das Verhältnis von Theorie und Praxis in der Medienpädagogik mit der „Metapher des Vernetzens“ (ebd.). Er arbeitet dazu das Konzept des „vernetzenden Medienpädagogen“ (vgl. Hugger 2003, 46) heraus, das dazu beitragen soll, die Professionalisierung des Berufes voranzutreiben.
In diesem Konzept wird der Adressat „medienpädagogischen Handelns nicht mehr als von den Medien passiv Beeinflusster, sondern als Mediennutzer, der sein Handeln prinzipiell selbst bestimmen können soll“ (Hugger 2004, 11), verstanden. Zwischen dem Medienpädagogen und dem Rezipienten besteht zudem ein partnerschaftliches und damit auch demokratisches Verhältnis, da der Medienpädagoge nicht direkt in den Medienalltag der Person eingreift. Der Medienpädagoge vermittelt ebenso kein Faktenwissen, oder bestimmte Handlungsmuster. Er unterstützt den Mediennutzer „beim eigenständigen Erwerb von Medienwissen“ (ebd.) und damit von Medienkompetenz.
Mit diesem Konzept sind jedoch auch einige Paradoxien, d.h. „unaufhebbare und unumgehbare Schwierigkeiten und Dilemmata im Arbeitsablauf“ (ebd., 12) dieses Berufes verbunden. Ein erster zentraler Punkt besteht darin, dass die erzieherische und bewahrpädagogische Arbeit des Medienpädagogen nicht direkt nachgewiesen werden kann und damit immer eine Ungewissheit über dessen Erfolg besteht (vgl. ebd.).
Das zweite bedeutsame Dilemmata umfasst, dass der Medienpädagoge zwar Medienkompetenz vermitteln und strukturierend in das Handeln des Mediennutzers eingreifen, aber dennoch eigenständige Aneignungsprozesse der Person zulassen und abwarten soll (vgl. ebd.).
Ein drittes zentrales Dilemmata besteht darin, dass der Medienpädagoge virtuelle Interaktionsformen fördern und für Neues offen sein, jedoch gleichzeitig in die Entscheidungsfreiheit des Adressaten eingreifen soll (vgl. ebd.).
Daraus ergeben sich weitere Besonderheiten dieses Berufes, die zu künftigen Maßnahmen führen. Dazu gehört zum einen, dass für den Beruf der Medienpädagogik ein festes Kerncurriculum erarbeitet werden soll, um seiner Bedeutung für die Gesellschaft gerecht zu werden. Weiterhin möchte Hugger, dass einige Bearbeitungsverfahren gegen diese Dilemmata entwickelt werden, damit die Berufstätigen diese besser bewältigen können (vgl. ebd., 13). Als dritten Punkt schlägt er vor, dass auch die Arbeitgeber mehr auf die Notwendigkeit von Medienpädagogen aufmerksam gemacht werden, da medienpädagogische Aufgabenfelder nur dann Erfolg versprechend sein können, wenn diese auch von ausgebildeten Medienpädagogen ausgeführt werden. Sein letzter Vorschlag ist schließlich, dass mehr über die Medienpädagogen in Erfahrung gebracht werden soll. Dazu gehört auch, herauszufinden, wo die Absolventen nach ihrer Ausbildung verbleiben und arbeiten.
Hugger gibt zu diesem letzten Thema selbst ein Beispiel für einen Arbeitsmarkt von Medienpädagogen innerhalb der Neuen Medien. Dieser besteht aus drei Sektoren.



Der Erste Sektor ist der Medienpädagogische Kernbereich. Er „umfasst Unternehmen, vor allem aber öffentliche Einrichtungen die größtenteils als Anwender von Neuen Medien auftreten“ (Hugger 2008, 566). Dieser Bereich ist stark durch „Bildung und Erziehung geprägt“ (ebd.). Medienpädagogen arbeiten hier in schulischen Einrichtungen, der Aus- und Weiterbildung, sowie der außerschulischen Jugendmedienarbeit. Sie erstellen Konzepte und realisieren und evaluieren diese, für das Erlernen des Umgangs mit Neuen Medien sowie zum Erwerb von Medienkompetenz.
Der erste Randbereich besteht aus den Produzenten und Anwendern zur gleichen Zeit. Zu den Tätigkeitsfeldern gehören die Online-Auftritte von Rundfunksendern, Buch- und Zeitschriftenverlage, sowie die pädagogische Betreuung von Chat-Sitzungen (vgl. ebd., 567). „In diesem Segment sind Medienpädagogen oft auch redaktionell tätig, indem sie die Inhalte bzw. Content (Berichten, Nachrichten etc.) für bestimmte Zielgruppen (vor allem Kinder und Jugendliche) schreiben und internetspezifisch aufbereiten“ (ebd.).
Der zweite Randbereich Umfasst hauptsächlich Multimedia-Agenturen und Software-Unternehmen, die sich auf pädagogisch relevante Produkte und Dienstleistungen spezialisiert haben. „Für Medienpädagogen ist der 2. Randbereich insofern interessant, weil sowohl in der Konzeptions- und Entwicklungsphase als auch in der Realisierungsphase von qualitativ hochwertigen Multimediaprodukten medienpädagogische Wissensbestände notwendig sind“ (ebd.).
Alle drei Bereiche können sich untereinander dynamisch austauschen. Der zweite Randbereich kann nur erfolgreich sein, wenn in ihm Berufstätige mitwirken, die im Kernbereich aus- oder weitergebildet wurden (vgl. ebd.). „Umgekehrt wirkt sich die immer neue Entwicklung von Produkten und Dienstleistungen auf die Inhalte aus, die in Unternehmen und öffentlichen Einrichtungen des medienpädagogischen Kernbereichs und des 1. Randbereichs vermittelt werden“ (ebd.).


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